
Pilgern auf der Via-de-la-Plata: Der Jakobsweg von Sevilla nach Santiago de Compostela
Via-de-la-Plata: Jakobsweg von Sevilla nach Santiago de Compostela8. November 2015Im Februar 2015 war ich für einige Tage in Sevilla und habe dort die gelben Pfeile wiedergesehen, die mich bereits 2008 auf dem Camino Frances von Pamplona nach Santiago de Compostela geführt haben.
Ich habe seit längerem über eine Auszeit nachgedacht, um meine Gedanken zu sortieren, rauszufinden, was ich wirklich möchte, mir selber wieder nah zu sein. Von dem Gedanken, dass die Via-de-la-Plata eine gute Idee ist, bis zum Start meiner Pilgertour vergingen nur wenige Wochen. Vom 05.05.15 bis zum 28.06.15 sollte ich für phantastische acht Wochen unterwegs sein. Die Via-de-la-Plata ist eine alte römische Handelsstraße. Sie ist, gerade in Andalusien, sehr dünn besiedelt.
Brunnen, Geschäfte und Herbergen sind zwischen den Etappen meistens nicht vorhanden. Nimm unbedingt genug Wasser und Verpflegung mit! Nicht wenige meiner Weggefährten mussten wegen extremen Krämpfen aufgrund Flüssigkeitsmangel ihre Reise abbrechen.
Dieser Weg ist nicht so frequentiert wie der französische Weg. Vielleicht auch, weil die Infrastruktur nicht so gut ist und weil Herr Kerkeling hier nicht langspaziert ist.
Die Abstände zwischen den Etappen waren auch für mäßig sportliche Menschen, wie mich, gut zu schaffen. Ich habe nie ein Problem gehabt eine Unterkunft zu finden. Die Spanier waren sehr herzlich und haben sich wirklich über die Pilger gefreut. Kurze Saison, wenige Wanderer, Gastfreundschaft, das hat man auch an den Pilgermenüs gemerkt. Die waren ausnahmslos sehr lecker und mit Liebe zubereitet.
Ich bin durch zahlreiche, teilweise verlassene Dörfer gewandert, habe schöne alte Städte besichtigt und zahlreiche Überbleibsel der römischen Zeit gesehen, Ausgrabungsstätten besucht, konnte jeden Morgen einen Sonnenaufgang bewundern und habe mich am Rauschen der Blätter und dem Vogelgezwitscher erfreut. Insbesondere in Andalusien führt der Weg viel über Weideland, sodass ich oft durch das zu Hause von schwarzen Schweinen, Kühen und Schafen gewandert bin. Die unterschiedlichsten Gatter zu öffnen und schließen ist nun ein Klacks für mich.
Teilweise wird die Wegführung wegen des Baus einer Hochgeschwindigkeitstrasse unterbrochen. Die Umleitung ist größtenteils landschaftlich wenig reizvoll, aber erstaunlich gut markiert.
Ich bin jeden morgen im Dunkeln los gewandert. Nicht nur wegen der Hitze, sondern auch um mitzuerleben, wie der Tag erwacht. Dabei habe ich es total genossen alleine zu sein. Und damit meine ich alleine!
Morgens habe ich hier und da mal einen Weggefährten getroffen, gelegentlich haben mich später am Tag Radpilger überholt, aber in der Masse des Tages war ich mit mir unterwegs.
Meine Mitpilger kamen größtenteils aus Spanien, Frankreich und Italien. Deutsch und Englisch waren keine gängigen Caminosprachen. So habe ich mich mit Zweiwortsätzen aus meinem unglaublichen Sprachschatz von ca. 70 spanischen Vokabeln durchgeschlagen. Immer gefolgt von einem freundlich lächelnden „por favor“.
Die Nachmittage und Abende waren sehr gesellig – Camino eben – da sind nicht viele Worte nötig…Körpersprache und ein offenes Herz reichen völlig aus. Damit das hier nicht zu romantisch klingt…alles war nicht schön… irgendwas ist doch immer…das Tütenrascheln mitten in der Nacht fehlte hier leider ebenso wenig, wie das ungezwungene Unterhalten und Licht anknipsen morgens um 4.45h. Die Schlafsäle sind hier zwar deutlich kleiner als auf dem Camino Frances, was aber nicht heißt, dass es deswegen rücksichtsvoller oder ruhiger zugeht.
Kurioserweise haben die Kirchen auf der Via-de-la-Plata meistens geschlossen. Wer sich gerne die Gotteshäuser am Weg ansieht könnte daher enttäuscht werden. Die Ausschilderung ist, bis auf ganz wenige Ausnahmen in den Städten, klasse. Auch an den Stellen wo der Weg sich trennt, ist die Wegmarkierung übersichtlich. Das gilt auch für die Stücke des Weges, an denen man Wegoptionen zum Laufen hat oder an denen sich der Weg in den Französischen und den Mozarabischen Weg teilt.
Je näher ich Santiago kam, desto voller wurde der Weg…Stichwort: Tourigrinos! Die letzte 100 km…was soll ich sagen…no like! Mit Autos wurden die Trolleys zu den Herbergen gebracht, Betten reserviert, Lockenstab und Föhn ausgepackt und sich in schicken Klamotten für den Abend hergerichtet. Es wurde laut und voll auf dem Weg. Für mich war der Zauber der vergangenen 900 Kilometer verflogen. Die letzten Kilometer bis Santiago. Die Muschelwegweiser tragen nun auch die Angabe der noch verbliebenen Kilometer bis zum Ziel. Der Endzeitpilgercountdown läuft.
Die letzte Etappe führte mich durch Wald, Wiesen, Felder und verschlafene Vororte. Weit und breit keine Hauptverkehrsstraßen und Industriegebiete. Bedrückend ist die Stelle, an der im Juli 2013 ein Hochgeschwindigkeitszug verunglückt ist. Noch immer schmücken, Blumen, Poster, Briefe und Fotos die Stelle an der sich das Unglück ereignet hat. Gänsehaut.
Santiago de Compostela empfing mich ohne Regen, mit einer zum Teil eingerüsteten Kathedrale. Santiago!!!
Natürlich habe ich Jakob umarmt und gedankt, vor seinen Gebeinen gebetet und Kerzen angezündet, die Pilgermesse besucht und erlebt wie der Botafumeiro geschwenkt wurde, aber, dieses ergriffene Gefühl, dass ich 2008 hatte, blieb aus. So richtig angekommen habe ich mich nicht gefühlt. Da ich mir vorgenommen hatte, bis ans Meer zu laufen, war vom Kopf her meine Reise wohl erst in Finisterre zu Ende. Nach einigen Tagen Pause habe ich mich über Muxia auf den Weg nach Finisterre gemacht. Mehr dazu findest Du hier. Ich habe auf den gut 1.000 km nach Santiago tolle Erlebnisse gehabt, sehr nette Menschen kennengelernt und bin für die gemachten Erfahrungen sehr dankbar.
Kurze Zeit nach dem Camino habe ich beschlossen, mit „Misses Backpack“ ein neues Abenteuer zu wagen und in ein neues Leben zu starten.
Welche Erfahrungen hast Du auf dem Camino gemacht? Was hat sich danach bei Dir verändert? Bist Du die Via-de-la-Plata auch schon mal gelaufen? Hast Du Fragen zum Weg, dann schreib mir einfach, ich beantworte sie gerne!